PBM – Meilenstein für die Patientensicherheit

Patient Blood Management, kurz PBM, führt bei elektiven Operationen im Krankenhaus zu weniger Komplikationen und Todesfällen. Dass PBM nicht nur die Patientensicherheit erhöht, sondern auch hilft, in Deutschland Kosten in Milliardenhöhe zu sparen, zeigt ein aktuelles gesundheitsökonomisches Gutachten auf Basis von DRG-Daten. PBM muss daher endlich auch in der Bundesrepublik flächendeckend und verbindlich umgesetzt werden. Darüber waren sich die Experten bei der Podiumsdiskussion „PBM – Meilenstein für die Patientensicherheit“ am 3. April 2019 auf dem 14. Kongress für Gesundheitsnetzwerker in Berlin einig. Beispiele wie sich PBM erfolgreich in der klinischen Routine umsetzen lässt, geben die 2018 in das Förderprogramm der pbm Academy Stiftung aufgenommen Projekte aus Bremen, Augsburg und Ottweiler.

Wie sich Patient Blood Management erfolgreich umsetzen lässt, zeigen die 2018 in das Förderprogramm der pbm Academy Stiftung aufgenommen Projekte aus Bremen, Augsburg und Ottweiler (v.l.n.r. Dr. Markus Thalheimer, Hedwig François-Kettner, Dr. Martin Gutjahr, Professor Michael Winterhalter, Dr. Karlheinz Gürtler, Dr. Ursula Marschall, Dr. Thomas Drabinski).

Bild: © Svea Pietschmann

Aus internationalen Studien lassen sich hinsichtlich der erzielten Behandlungsergebnisse und verursachten Behandlungskosten bei elektiven Operationen im Krankenhaus drei Risikofaktoren identifizieren: Anämie, Blutverlust und damit einhergehende Transfusionen von Fremdblutprodukten.1 Das unter anderem von der Weltgesundheitsorganisation (WHO)2 empfohlene Behandlungskonzept Patient Blood Management (PBM) begegnet diesen drei Risikofaktoren durch ein Modell mit drei Säulen: Säule I: Präoperatives Anämie-Management, Säule II: Minimierung von Blutverlusten und Säule III: Rationaler Einsatz von Fremdblutprodukten.

IfMDA-Gutachten „PBM footprint“: Wer Anämien vermeidet, erhöht die Patientensicherheit und spart gleichzeitig Kosten in Milliardenhöhe

In einem Impulsvortrag stellte Dr. Thomas Drabinski, Leiter des Instituts für Mikrodatenanalyse (IfMDA), Kiel, das Gutachten „Gesundheitsökonomischer Fußabdruck Patient Blood Management (PBM footprint)“ vor.3 Über eine Sekundärdatenanalyse auf Basis einer 10 Prozent-Zufallsstichprobe der DRG-Statistik 2015 wurde aus deutscher Perspektive untersucht, wie sich grundlegende Qualitätssicherungsmaßnahmen im Rahmen eines konsequent umgesetzten Eisenmangelanämie-Managements auf die  Patientensicherheit und Gesundheitskosten auswirken würden.

Anämie ist ein Risikofaktor für die Patientensicherheit

"Unsere Berechnungen zeigen in Bezug auf die Risikomaße zur Assoziation zwischen der Transfusion von Erythrozytenkonzentraten  (EK) und der Sterblichkeit bei elektiven vollstationären Operationen im Krankenhaus zwei Ergebnisse: 1. Erhält ein Patient im Zuge einer elektiven Operation eine EK-Transfusion, dann ist sein Risiko 25-fach höher zu versterben, als im Fall einer Operation ohne EK-Transfusion. 2. Geht ein Patient mit einer Eisenmangelanämie in eine elektive Operation, dann ist sein Mortalitätsrisiko um das 4-fache erhöht", so Drabinski. Auch sei davon auszugehen, dass insgesamt bis zu 2.752 Todesfälle pro Jahr durch präoperatives Eisenmangelanämie-Management vermieden werden könnten.

Ökonomische Bedeutung des präoperativen Anämie-Managements

Aus gesundheitsökonomischer Perspektive zeigen die Berechnungen, dass in Deutschland durch präoperatives Anämie-Management jährlich direkte Krankenhauskosten in Höhe von 479 Millionen Euro durch weniger Krankenhaustage, weniger EK-Transfusionen und weniger Komplikationen vermieden werden könnten. Zudem lassen sich mithilfe des Konzepts „Wert eines statistischen Lebens“ (WSL) weitere indirekt vermeidbare Kosten für die Gesellschaft in Höhe von 8,3 Milliarden Euro berechnen. Zieht man von den potentiell einsparbaren direkten und indirekten Kosten die durch präoperatives Anämie-Management anfallenden Therapiekosten von rund 10 Millionen Euro ab, ergibt sich ein Einsparpotential in der ersten Säule des PBM-Konzepts von insgesamt 8,769 Milliarden Euro pro Jahr in Deutschland. „Das Gutachten „PBM footprint“ zeigt eindeutig, dass präoperatives Anämie-Management bei elektiven Operationen ein Schlüssel zur Qualitätssicherung ist und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen steigert. Patienten, Krankenhäuser, Kostenträger und die Gesundheitspolitik sollten daher auf eine verbindliche Umsetzung von PBM-Programmen hinwirken“, resümierte der Gesundheitsökonom.

PBM ist ein Gewinn für alle Akteure

Im Anschluss diskutierte das Expertenpanel die Bedeutung von PBM für die Patientensicherheit. Dabei waren sich die Teilnehmer aufgrund der evident belegten medizinischen und ökonomischen Vorteile einig, dass PBM im Sinne der Patientensicherheit und Wirtschaftlichkeit flächendeckend umgesetzt werden muss. Wie Dr. Ursula Marschall, Forschungsbereichsleitung Medizin und Versorgungsforschung, BARMER, Wuppertal, einleitend betonte, bietet PBM einen Mehrwert für alle Beteiligten: „Mir sind wenige andere Behandlungskonzepte bekannt bei denen alle Akteure im Gesundheitswesen gleichzeitig profitieren. Der betroffene Patient gewinnt nicht nur Lebensqualität, sondern definitiv auch Lebenszeit, das Krankenhaus spart Ressourcen sowie finanzielle Mittel und damit profitieren die Krankenkassen ebenfalls.“

Es bedarf verbindlicher Regelungen zur Umsetzung von PBM

Der Einschätzung von Marschall stimmte auch Dr. Markus Thalheimer, Leiter Medizincontrolling und Qualitätsmanagement, Universitätsklinikum Heidelberg, zu. Er forderte dementsprechend mehr Transparenz bei der Transfusion von Blutprodukten zu schaffen und PBM als verbindlichen Qualitätsstandard zu definieren. Konkret schlug Thalheimer vor: „Wir könnten den Krankenhäusern in ihren jährlichen Qualitätsberichten die Möglichkeit bieten, PBM-Maßnahmen darzulegen. Verbindlichkeit würde zudem eine G-BA-Richtlinie PBM schaffen. Auch fehlt mir der gebotene Rückenwind durch die Bundesärztekammer. Die Relevanz von PBM sollte in den Richtlinien zur Hämotherapie nicht nur durch eine kurze Textpassage, sondern umfassend gewürdigt werden“, forderte Thalheimer.

Hedwig Francois-Kettner, Vorsitzende des Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS) bedauerte, dass PBM im aktuellen Entwurf des „Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV)" keine Rolle spiele. Das APS fordert daher, PBM zumindest in den Fällen, in denen es möglich ist, umzusetzen. Auch könne sie sich vorstellen, „dass wir hierzulande in Zukunft eine übergreifende Handlungsempfehlung erarbeiten, um PBM zu unterstützen und Patienten sowie die Kliniken zum Beispiel bei elektiven Operationen darüber zu informieren“. Des Weiteren müsse das Wissen um die möglichen negativen Auswirkungen einer Anämie auf das Operationsergebnis und die Patientensicherheit durch mehr Aufklärung an die Patienten herangetragen werden.

Projekte aus Bremen, Augsburg und Ottweiler in das Förderprogramm der pbm Academy Stiftung aufgenommen

Im Rahmen der Veranstaltung in Berlin wurden auch die ersten drei im Jahr 2018 in das Förderprogramm der pbm Academy Stiftung aufgenommenen Projekte vorgestellt. Eine Fördersumme, in Höhe von 30.000 Euro, ging an Prof. Dr. Michael Winterhalter für die Implementierung eines Anämie-Konzeptes am Klinikum Bremen-Mitte. Bei diesem Konzept werden zukünftig insbesondere Patienten mit hohem Blutungs- und Transfusionsrisiko prästationär auf das Vorhandensein einer Anämie hin untersucht. Dr. Karlheinz Gürtler und Team vom Universitätsklinikum Augsburg erhielten für die geplante Etablierung eines Nachsorgekonzeptes für Patienten nach relevantem intraoperativem Blutverlust 20.000 Euro. Das mit 10.000 Euro geförderte Projekt an der Marienhausklinik Ottweiler soll insbesondere Hausärzte und andere Zuweiser im Einzugsgebiet der Klink in das präoperative Anämie-Management einbeziehen. Als verantwortlicher Projektleiter nahm Dr. Martin Gutjahr die Förderurkunde entgegen.

Auch 2019 bis zu 70.000 Euro Fördergeld

Auch 2019 stellt die pbm Academy Stiftung erneut bis zu 70.000 Euro Fördergeld für PBM-Projekte in Deutschland zur Verfügung. Bewerben können sich ärztlich geleitete Projekte, die das Ziel verfolgen, die Aufmerksamkeit für PBM zu erhöhen und die Behandlungsqualität im deutschen Gesundheitswesen durch die Einführung von PBM zu verbessern. Über die Vergabe der Fördermittel entscheidet eine unabhängige Expertenjury. Die Bewerbungsfrist endet am 31. Oktober 2019. Weitere Details zum Förderprogramm finden Interessierte hier.

 

 

Literatur und Quellen

(1): [1] Meybohm P et al. Transfus Med Rev 2017; 31: 62–71 [2] Baron DM et al. Br J Anaesth 2014; 113: 416–423 [3] Fowler AJ et al. Br J Surg 2015; 102: 1314–1324 [4] Musallam KM et al. Lancet 2011; 378: 1396–1407 [5] Beattie WS et al. Anesthesiology. 2009; 110(3):574–581 [6] Fowler AJ et al. Br J Surg. 2015; 102(11):1314–1324 [7] Musallam KM et al. Lancet. 2011; 378:1396–1407 [8] Gombotz H. und Hofmann A. Anaesthesist 2013; 62: 519–527.

(2) Weltgesundheitsorganisation (WHO). World Health Assembly Resolution WHA63.12. http://apps.who.int/medicinedocs/documents/s19998en/s19998en.pdf

(3) Drabinski T, Gesundheitsökonomischer Fußabdruck Patient Blood Management (PBM footprint). In: IfMDA Schriftenreihe Band 30. 2018.

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