Ergebnisse des Gutachtens “PBM footprint“

Anämie-Management erhöht die Patientensicherheit und senkt Kosten – Eine gesundheitsökonomische Betrachtung der Säule I des Patient Blood Management (PBM)

Aus internationalen Studien lassen sich drei Risikofaktoren bezüglich den Behandlungsergebnissen und den Behandlungskosten bei planbaren (elektiven) Operationen im Krankenhaus identifizieren: Blutarmut (Anämie), Blutverlust und damit einhergehende Transfusionen. Das von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Behandlungskonzept Patient Blood Management (PBM) begegnet diesen drei Risikofaktoren durch Säule I: Anämie-Management, Säule II: Minimierung von Blutverlusten und Säule III: Erhöhung & Ausschöpfung der Anämietoleranz.i Mit dem Gutachten „Gesundheitsökonomischer Fußabdruck Patient Blood Management (PBM footprint)“ wird auf Basis der DRG-Statistik 2015 aus deutscher Perspektive untersucht, welche Auswirkungen grundlegende Qualitätssicherungsmaßnahmen im Sinne eines konsequent umgesetzten Anämie-Managements gemäß der ersten Säule des PBM-Konzepts hätten.ii

Gesundheitsökonomisches Gutachten „PBM footprint“, IfMDA, 2018
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Wissenschaftliche Präsentation des IfMDA zum Gutachten
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Verwendung von Blutprodukten in Deutschland

Beim Vergleich der Anzahl von Vollblutspenden und der Verwendung von Erythrozytenkonzentraten (EK) in Europa zeigt sich, dass Deutschland bei beiden Werten deutlich an der Spitze liegt. Die Anzahl der Bluttransfusionen in Deutschland in den Jahren 2005-2015 zeigt eine leicht rückläufige Tendenz insbesondere bei den EK-Transfusionen. Ohne zusätzliche Qualitätssicherungsmaßnahmen wird demografiebedingt jedoch ein erneuter Anstieg prognostiziert.

Vollblutspenden und Verwendung von Erythorzytenkonzentraten (EK) in Europa1

Vollblutspenden und Verwendung von Erythorzytenkonzentraten (EK) in Europa

Verwendung von Blutprodukten in Deutschland (2005-2015)2

Verwendung von Blutprodukten in Deutschland (2005-2015)

Anämie ist ein Risikofaktor für die Patientensicherheit

Durch Eisenmangel und Blutverlust bedingte Anämien werden häufig durch die Transfusion von Blutkonserven in Form von Erythrozytenkonzentraten (EK) ausgeglichen. Dabei belegen Studien, dass es zwischen (Eisenmangel-)Anämie, allogenen Bluttransfusionen, den Behandlungsergebnissen und dem Ressourcenverbrauch sichtbare Zusammenhänge gibt. Über eine Sekundärdatenanalyse der DRG-Statistik 2015 (n = 1,867 Mio. Patienten) konnten unter anderem die folgenden Ergebnisse für elektive Operationen im PBM-Setting quantifiziert werden:

Anämie ist ein Risikofaktor für die Patientensicherheit

Ökonomische Bedeutung des präoperativen Anämie-Managements

Die Ergebnisse der Sekundärdatenanalyse auf Basis der DRG-Statistik 2015 lassen den Schluss zu, dass präoperatives Anämie-Management im Sinne der ersten Säule des PBM-Konzeptes der Qualitätssicherung dienen kann und einen positiven Einfluss auf die Ergebnisqualität hat. Genügt diese PBM-Maßnahme zudem dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit, dann ist sie insgesamt als wohlfahrtssteigernd anzusehen.

Um die ökonomische Bedeutung des präoperativen Anämie-Managements sichtbar zu machen, wird mit dem Gutachten „PBM footprint“ für die PBM-Maßnahme des präoperativen Anämie-Managements untersucht, welche Veränderungen sich in der Prävalenz ergeben und welche ökonomischen Schlüsse daraus zu ziehen sind. Hierzu werden zunächst die durch präoperatives Anämie-Management vermeidbaren Kosten (VKi) und die entstehenden Therapiekosten (TK) quantifiziert und anschließend zum „PBM footprint“ saldiert.

Vermeidbare direkte Krankenhauskosten

Aus der "Was-wäre-wenn-Analyse" ergeben sich damit im Konzept des "footprint PBM" vermiedene anämische Patienten und daraus abgeleitet vermeidbare Kosten, da eine geringere Zahl an anämischen Patienten auch annahmegemäß weniger Krankenhaustage, weniger EK-Transfusionen, weniger Komplikationen und damit auch weniger Kosten auslösen. Das im Gutachten spezifizierte Modell kommt zu dem Ergebnis, dass sich durch ein präoperatives Eisenmangelanämie-Management direkte Kosten in Höhe von VK1 = 479 Mio. € in den Krankenhäusern (DRG-Erlöse) für die Kostenträger einsparen lassen.

Vermeidbare indirekte gesellschaftliche Kosten

Mit der Einsparung geht einher, dass rund 529 Tsd. Krankenhaustage für Patienten, deren Familien und Arbeitgeber vermieden werden können. Wird der statistische bzw. gesundheitsökonomische Wert eines Tages, wie im Gutachten über das Konzept "Wert eines statistischen Lebens (WSL)" hergeleitet, mit 101,74 € unterstellt, so lassen sich durch präoperatives Eisenmangelanämie-Management diesbezüglich Kosten in Höhe von VK2 = 54 Mio. € vermeiden.

Die höchsten vermeidbaren indirekten Kosten zeigen sich bei den vermeidbaren Todesfällen. Die Quantifizierung zeigt, dass durch präoperatives Eisenmangelanämie-Management 2.752 Todesfälle pro Jahr vermieden werden könnten. Wird der WSL – aus ethischen Gründen unabhängig vom erreichten Lebensalter – mit 2,996 Mio. € taxiert, so ergeben sich vermeidbare indirekte Kosten wegen vermiedener Todesfälle in Höhe von VK3 = 8,246 Mrd. €.

Therapiekosten durch präoperatives Anämie-Management

Mit präoperativem Eisenmangelanämie-Management sind nicht nur Einsparungen in Form von vermiedenen Kosten verbunden, sondern auch Kosten in Form von Therapiekosten: Für jeden Patienten, der mit IV-Eisen therapiert wird, fallen mittlere Therapiekosten (Material, Labor und Personal) in Höhe von 176,68 € an. Im Berechnungsmodell werden rund 59.000 Patienten identifiziert, die in der Qualitätssicherungsmaßnahme präoperatives Eisenmangelanämie-Management versorgt werden. Hieraus ergeben sich Therapiekosten (TK) in Höhe von TK = 10 Mio. €.

Kosten präoperatives Anämie-Management pro PBM-Patient3

Ökonomische Bedeutung des präoperativen Anämie-Managements

Gesundheitsökonomischer Fußabdruck präoperatives Anämie-Management (PBM Säule I)

Im gesundheitsökonomischen Fußabdruck Patient Blood Management („PBM footprint“) sind neben den durch präoperatives Anämie-Management direkt vermeidbaren Kosten in Höhe von 479 Millionen Euro durch weniger Krankenhaustage, weniger EK-Transfusionen und weniger Komplikationen auch die mithilfe des Konzepts „Wert eines statistischen Lebens“ (WSL) berechneten indirekt vermeidbaren Kosten für die Gesellschaft berücksichtigt. Diese setzen sich zum einen aus den vermeidbaren gesellschaftlichen Kosten für vermeidbare Krankenhaustage in Höhe von 54 Millionen Euro zusammen. Zum anderen könnten auch bis zu 2.752 Sterbefälle im Krankenhaus verhindert werden. Dadurch würden weitere indirekte gesellschaftliche Kosten in Höhe von 8,246 Milliarden Euro vermeiden werden. Die durch präoperatives Anämie-Management anfallenden Therapiekosten belaufen sich bei 59.000 angenommenen PBM-Patienten auf rund 10 Millionen Euro.

Gemäß dem Berechnungsmodell des „PBM footprint“ könnten so durch präoperatives Eisenmangelanämie-Management – also die flächendeckende Umsetzung ersten Säule des PBM-Konzeptes – direkte und indirekte Einsparungen von mindestens 8,769 Milliarden Euro pro Jahr in Deutschland realisiert werden:

Vermeidbare Kosten (VKi) - Therapiekosten (TK)

= 479 Mio. € + 54 Mio. € + 8,246 Mrd. € - 10 Mio. €

= 8,769 Mrd. €

PBM Schlüsselkonzept für Patientensicherheit und Wirtschaftlichkeit

Das Gutachten „PBM footprint“ zeigt, dass präoperatives Anämie-Management bei elektiven Operationen auch in Deutschland ein Schlüssel zur Qualitätssicherung und zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit in der Gesundheitsversorgung ist. Als ordnungs-, versorgungs- und gesundheitspolitische Kurzempfehlung lässt sich daraus ableiten, dass Patienten, Krankenhäuser, Kostenträger und die Gesundheitspolitik auf eine verbindliche Umsetzung von PBM-Programmen bestehen und damit auf eine effiziente und patientenorientierte Ausgestaltung des deutschen Gesundheitssystems hinwirken sollten.

Welche Wege es gibt, PBM auch in der klinischen Routine Ihres Hauses zu etablieren, zeigen wir Ihnen hier.

 

 

Quellen und Referenzen:

i [1] Weltgesundheitsorganisation (WHO). World Health Assembly Resolution WHA63.12 [2] Meybohm P et al. Transfus Med Rev 2017; 31: 62–71 [3] Baron DM et al. Br J Anaesth 2014; 113: 416–423 [4] Fowler AJ et al. Br J Surg 2015; 102: 1314–1324 [5] Musallam KM et al. Lancet 2011; 378: 1396–1407 [6] Beattie WS et al. Anesthesiology. 2009; 110(3):574–581 [7] Fowler AJ et al. Br J Surg. 2015; 102(11):1314–1324 [8] Musallam KM et al. Lancet. 2011; 378:1396–1407 [9] Gombotz H. und Hofmann A. Anaesthesist 2013; 62: 519–527.

ii Drabinski T (2018), Gesundheitsökonomischer Fußabdruck Patient Blood Management (PBM footprint). In: IfMDA Schriftenreihe Band 30. 2018. Repräsentative 10 Prozent-Zufallsstichprobe aus der Vollerhebung mit 18,672 Mio. Patienten mit der Datengrundlage nach § 21 KHEntgG (Quelle: FDZ der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder. DRG-Statistik 2015, eigene Berechnungen).

[1] Ebd. Eigene Darstellung nach GBE (2018). Bericht zur Meldung nach §21 Transfusionsgesetz, Paul-Ehrlich-Institut.
[2] Ebd. Eigene Berechnungen und Darstellung nach Kleinerüschkamp et al. Der Anaesthesist 2016, 6: 438-448.

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