Leitfaden zur PBM-Abrechnung im Krankenhaus

Patient Blood Management (PBM)-Konzepte zielen darauf ab, durch präoperatives Anämie-Management (PBM Säule I), die Minimierung von Blutverlusten (PBM Säule II) und die Erhöhung & Ausschöpfung der Anämietoleranz (PBM Säule III) die Gabe von allogenen Blutprodukten bei elektiven Operationen im Krankenhaus zu reduzieren oder ganz zu vermeiden. Der positive Effekt auf die Patientensicherheit ist durch zahlreiche internationale Studien belegt.1

PBM erhöht die Patientensicherheit und hilft gleichzeitig, Kosten zu senken
In einer Situation, in der die meisten Krankenhäuser aufgrund des engen DRG-Korsetts die Erlöse kaum mehr steigern können, bietet PBM darüber hinaus eine Möglichkeit, Kosten durch die Vermeidung unnötiger Fremdbluttransfusionen zu reduzieren und dabei gleichzeitig die Behandlungsqualität zu verbessern. Mit dem Leitfaden „PBM-Abrechnung im Krankenhaus“ zeigen wir Ihnen verschiedene Wege auf, wie Sie entsprechende PBM-Maßnahmen in der klinischen Routine etablieren und abrechnen können. 

Drei Gründe, warum PBM die Möglichkeit bietet, Kosten im Krankenhaus zu senken und gleichzeitig die Behandlungsqualität und die Patientensicherheit zu erhöhen:

Drei Gründe, warum PBM die Möglichkeit bietet, Kosten im Krankenhaus zu senken und gleichzeitig die Behandlungsqualität und die Patientensicherheit zu erhöhen:

1 Unnötige Bluttransfusionen zu vermeiden, spart in der Regel direkt Kosten

Die Vergütung der Gabe von Erythrozytenkonzentraten (EK) wird im DRG-Fallpauschalenkatalog über das Zusatzentgelt (ZE) 107 „Gabe von Erythrozytenkonzentraten“ geregelt.2 Ein Zusatzentgelt für die EK-Gabe bei erwachsenen Patienten (≥ 16 Jahre) wird erst ab einer Transfusion von 16 EK-Einheiten ausgelöst. Werden weniger EKs transfundiert, ist die Vergütung mit der entsprechenden Fallpauschale abgegolten und führt zu keinen Mehrerlösen. Wenn Sie die entsprechende Statistik in Ihrem Haus betrachten, wird sich erfahrungsgemäß zeigen, dass in der Mehrzahl der Fälle die ZE-Schwelle nicht erreicht wird. Mehrerlöse, die durch komplizierende Konstellationen und aufwendige Behandlungen ausgelöst werden, spielen in der Regel auf der Erlösseite keine große Rolle. Setzt man die Kosten für die Gabe einer EK-Einheit inklusive Material, Labor und Arbeitszeit bei ca. 150 Euro an, lassen sich diese Kosten durch jede vermiedene EK-Gabe direkt einsparen, ohne dass die DRG-Erlöse sinken. Diese gehen erst nach „Einpreisung“ der vermiedenen EK-Kosten durch das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) mittelfristig und verteilt auf alle Fälle zurück.

⇒ Die Transfusion von EKs bringt in der Regel keine Mehrerlöse.

⇒ Jede vermiedene EK-Transfusion spart sofort Kosten, ohne dass die DRG-Erlöse dabei sinken.

 

Kostenbeispiel  für die Transfusion einer EK-Einheit in Deutschland3

© pbm Academy Stiftung: Eigene Darstellung nach Kleinerüschkamp et al. 2016

2 Eingesparte Kosten können in weitere PBM-Maßnahmen reinvestiert werden

Denkbare erste Schritte zur Reduzierung der EK-Transfusionen wären zum Beispiel Maßnahmen, um den Prozess der routinemäßigen diagnostischen Blutabnahme zu optimieren, kleinere Röhrchen zur Blutentnahme zu verwenden, oder auf geschlossene Blutentnahmesysteme umzustellen, um so im Krankenhaus erworbenen Anämien vorzubeugen (PBM Säule II). Viele dieser Maßnahmen können erfahrungsgemäß relativ einfach umgesetzt werden. In einer Prozesskostenanalyse am Universitätsklinikum Frankfurt am Main konnte gezeigt werden, dass geschlossene Systeme zwar teurer in der Beschaffung sind, aber in Summe zu weiteren Kosteneinsparungen bei gleichzeitiger Verbesserung der Patientensicherheit führen.4 Die durch initiale PBM-Maßnahmen bzw. Reduktion unnötiger EK-Gaben eingesparten Kosten können ganz oder teilweise für initial kostenintensivere PBM-Maßnahmen wie die Einrichtung einer Anämie Sprechstunde (PBM Säule I) oder andere Beschaffungsmaßnahmen (Cell-Saver, ROTEM, usw.) genutzt werden, die wiederum Transfusionskosten reduzieren können.5

⇒ Die durch vermiedene EK-Transfusionen direkt gesparten Kosten können beispielsweise ganz oder teilweise in weitere PBM-Maßnahmen reinvestiert werden.

3 Präoperatives Anämie-Management verringert die Komplikationsrate

Ein großer Hebel für die Einsparung von EKs ist ein effektives, präoperatives Anämie-Management (PBM Säule I). Daraus ergibt sich gleichzeitig ein großes Kosteneinsparpotential.6 Da die Mehrheit der präoperativen Anämien durch Eisenmangel verursacht werden, können die Patienten nach erfolgter Diagnose vor einem elektiven Eingriff durch Supplementation relativ einfach behandelt werden.7 Im Idealfall geschieht dies im Rahmen einer im Zuge von PBM etablierten Anämie-Sprechstunde, in der alle betroffenen Patienten vor einem elektiven Eingriff vorstellig werden und gegebenenfalls eine entsprechende Behandlung veranlasst wird. 

Aus ökonomischer Perspektive ist bei der Einrichtung einer Anämie-Sprechstunde die entscheidende Frage, wie diese so platziert werden kann, dass alle ärztlichen Leistungen, die Labordiagnostik und die medikamentöse Therapie für das Krankenhaus möglichst kostenneutral abgerechnet werden können. Hierzu gibt es bereits heute verschiedene ambulante, teilstationäre und stationäre Möglichkeiten. Welches Modell für Ihr Haus das Beste ist, hängt unter anderem von Faktoren wie der Versorgungsstufe der Klinik, bereits vorhandenen Ambulanzstrukturen, der Verhandlungsposition gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen (GKVen) und der regionalen Versorgungssituation ab.8

⇒ Die gesundheitsökonomische Gesamtbetrachtung aller PBM-Maßnahmen und der Fokus auf ein optimales Behandlungsergebnis für den Patienten sollten stets im Mittelpunkt Ihrer Argumentation für PBM stehen.

Abrechnungsmodelle Anämie-Sprechstunde

Aus ökonomischer Perspektive ist bei der Einrichtung einer Anämie-Sprechstunde die entscheidende Frage, wie diese so platziert werden kann, dass alle ärztlichen Leistungen, die Labordiagnostik und die medikamentöse Therapie für das Krankenhaus möglichst kostenneutral abgerechnet werden können. Hierzu gibt es bereits heute verschiedene ambulante, teilstationäre und stationäre Möglichkeiten. Welches Modell für Ihr Haus das Beste ist, hängt unter anderem von Faktoren wie der Versorgungsstufe der Klinik, bereits vorhandenen Ambulanzstrukturen, der Verhandlungsposition gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen (GKVen) und der regionalen Versorgungssituation ab.8

Vorstationäre Behandlung im Krankenhaus

Gemäß § 115a Sozialgesetzbuch (SGB) V kann eine PBM-Anämiesprechstunde eine vorstationäre Behandlung im Krankenhaus darstellen, wenn sie der Vorbereitung einer vollstationären Behandlung dient.10 Die im Gesetz festgelegte Frist ist mit drei Behandlungstagen binnen fünf Tagen vor der stationären Aufnahme definiert. Falls keine gesonderte Abrechnung mit der Kasse vereinbart ist, sind die Diagnosen und Prozeduren in der entsprechenden DRG zu berücksichtigen. 

MVZ im Krankenhaus

Auch Krankenhäuser können nach § 95 SGB V Träger eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) sein, um den Patienten aus einer Hand zu versorgen und die ambulante und stationäre Versorgung besser zu verzahnen.11 Wird die Anämie-Sprechstunde oder die gesamte OP-Vorbereitung über ein klinikeigenes MVZ abgewickelt, erfolgt die Abrechnung der Medikamente als vertragsärztliche Behandlung auf Rezept (Formular 16) und der medizinischen Leistung über den einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM). Allerdings können Arzneien aufgrund der sektoralen Trennung nicht über die Krankenhausapotheke beschafft werden. 

Die vorstationäre Kostenfalle umgehen
Ein klinikeigenes MVZ bietet somit eine gute Möglichkeit, präoperatives Anämie-Management weitgehend kostenneutral für Kliniken umzusetzen. Dabei gilt es zu bedenken, dass unter anderem hohe Kosten für den Kauf eines KV-Sitzes anfallen können. Auch können Medikamente nicht über die Krankenhausapotheke beschafft werden.

Hochschulambulanz

Für Uniklinika besteht die Möglichkeit, eine Anämie-Sprechstunde und die entsprechende Behandlung in einer nach § 117 SGB V definierten Hochschulambulanz umzusetzen.12 Die Vergütung der Personal- sowie Laborkosten erfolgt im Normalfall als Quartalspauschalen direkt von den Krankenkassen (§ 120 (2) SGB V).13 Die Kosten für Arzneimittel können „on top“ zu Lasten der KV auf Rezept aus der Krankenhausapotheke beschafft werden. PBM-Maßnahmen sind zwar nicht ausdrücklich in den gesetzlichen Voraussetzungen für die Hochschulambulanzen vorgesehen, aber – bei den entsprechenden Patientengruppen – ergeben sich in der Regel keine Probleme.

Viele Maßnahmen und Wege führen zum Erfolg

Viele Maßnahmen und Wege führen zum Erfolg

Bei der Etablierung und Abrechnung von PBM-Maßnahmen gibt es keinen Königsweg. Welche fremdblutsparenden Maßnahmen sich initial am einfachsten in Ihrem Haus umsetzen lassen, sollten Sie gemeinsam mit den relevanten Abteilungsleitern und Klinikmanagern besprechen. Wie Sie hierbei geschickt vorgehen, zeigen wir Ihnen in der Rubrik "Wege zum qualitätsorientierten PBM".

Neben den aufgezeigten Abrechnungswegen im vorstationären Setting, dem klinikeigenen MVZ sowie der Hochschulambulanz für Universitätsklinika gibt es in verschiedenen ambulant-stationären Settings noch weitere gangbare Wege. Wenn Sie mehr über die PBM-Abrechnung im Krankenhaus erfahren wollen, empfehlen wir Ihnen den Besuch eines Regionalworkshops der pbm Academy Stiftung. Hier können wir auch speziell auf Ihre Kliniksituation eingehen und individuelle Fragen diskutieren.

Zu den Workshops

 

 

 

 

 

Quellen und Referenzen:

[1] [a] Weltgesundheitsorganisation (WHO). World Health Assembly Resolution WHA63.12 [b] Meybohm P et al. Transfus Med Rev 2017; 31: 62–71 [c] Baron DM et al. Br J Anaesth 2014; 113: 416–423 [d] Fowler AJ et al. Br J Surg 2015; 102: 1314–1324 [e] Musallam KM et al. Lancet 2011; 378: 1396–1407 [f] Beattie WS et al. Anesthesiology. 2009; 110(3):574–581 [g] Fowler AJ et al. Br J Surg. 2015; 102(11):1314–1324 [h] Musallam KM et al. Lancet. 2011; 378:1396–1407 [i] Gombotz H. und Hofmann A. Anaesthesist 2013; 62: 519–527.
[2] www.g-drg.de/G-DRG-System_2019/Fallpauschalen-Katalog/Fallpauschalen-Katalog_2019 (Letzter Aufruf: 12.07.2019)
[3] Kleinerüschkamp et al. Blood Transf 2016; 17, 16-26
[4] Westphal S et al. Anästh Intensivmed 2018, 59: 146-153
[5] Meybohm P, et al. Anästhesiologie und Intensivmedizin. 2017; 58:1-14.
[6] Drabinski T. IfMDA Schriftenreihe Band 30. 2018
[7] [a] Goodnough LT. Transfusion 2012 52(7):1584–1592 [b] Metzgeroth G, Hastka J. Internist 2015 (Berl) 56(9):978–988
[8] Piekarski, F., Thalheimer, M., Seyfried, T. et al. Anaesthesist 2019; 68(8): 540–545.
[9] [a] Beattie WS et al. Anesthesiology. 2009; 110(3):574–581 [b] Fowler AJ et al. Br J Surg. 2015; 102(11):1314–1324 [c] Musallam KM et al. Lancet. 2011; 378:1396–1407
[10] www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__115a.html (Letzter Aufruf: 12.07.2019)
[11] www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__95.html (Letzter Aufruf: 12.07.2019)
[12] www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbv/117.html (Letzter Aufruf: 12.07.2019)
[13] www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbv/120.html (Letzter Aufruf: 12.07.2019)
 

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